Entdecke die Macht deiner unsichtbaren Partnerin – Der integrale Schlüssel des Mannes zu innerer Vollkommenheit und Ganzheit in Beziehungen und Erfolg im Business

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Die Beziehung zwischen Mutter und Sohn prägt das Weiblichkeitsbild des Mannes ganz zentral, hier: ich mit meiner geliebten Mutter, die bis heute eine der wichtigsten Menschen in meinem Leben ist.
Die Beziehung zwischen Mutter und Sohn prägt das Weiblichkeitsbild des Mannes ganz zentral, hier: ich mit meiner geliebten Mutter, die bis heute eine der wichtigsten Menschen in meinem Leben ist.

1. Einführung

Das Thema Frau und Mann, das Verständnis von Weiblichkeit und Männlichkeit führt in unserer Gesellschaft immer wieder zu kontroversen Diskussionen zwischen den Geschlechtern. Und immer mehr Menschen wollen die tiefere Dynamik im Leben und in persönlichen Beziehungen verstehen, die das Männliche bzw. das Weibliche so spannend und zugleich so konfliktbehaftet macht. Mit diesem Beitrag lüfte ich den Schleier dieser Dynamiken, zeige die Schlüsselrolle des Weiblichen in jedem Mann. Darüber hinaus skizziere ich den integralen Wachstums- und Bewusstseinsweg des maskulinen Mannes der nach Erfolg, Ganzheit, Einheit und Erleuchtung strebt.

2. Der Mensch als androgynes Wesen

Der Mensch in seiner Ganzheit in Form des Kugelmensch – die Vorstellung des ursprünglichen Menschen im griechischen Mythos
Der Mensch in seiner Ganzheit in Form des Kugelmensch – die Vorstellung des ursprünglichen Menschen im griechischen Mythos

Um uns dem Thema zu nähern, wollen wir uns den griechischen Mythos über die ursprünglichen Menschenwesen anschauen, der in Platons „Symposion“ erzählt wird:

Danach waren die ursprünglichen Menschenwesen vollkommen rund, hatten vier Arme und vier Beine, zwei Geschlechtsteile sowie einen Kopf mit zwei Gesichtern, die in entgegengesetzte Richtungen blickten. Diese Kugelmenschen verfügten über wunderbare Eigenschaften, waren sehr intelligent und kamen damit den Göttern gleich. Aus Angst und Neid schnitten die Götter die Kugeln in zwei Teile, um ihre Macht zu begrenzen. Die Kugelmenschen zerfielen dadurch in eine männliche und eine weibliche Hälfte. Und seit dieser Zeit, streben nun diese zwei getrennten Hälften des Ur-Menschenwesens unablässig nach Wiedervereinigung.

Und auch andere frühe Traditionen betonen, dass der Mensch von Natur aus männlich und weiblich ist. Ein Beispiel ist die christliche Schöpfungsgeschichte aus dem Buch Genesis. Also hat Gott Adam nach seinem Ebenbild erschaffen und ihn damit zu einem „ganzen“ Wesen gemacht, das männliche und weibliche Elemente in sich vereint. Erst später wurde die Frau aus dem bis dahin androgynen Adam herausgelöst und aus seiner Rippe geformt. Seitdem wollen die beiden menschlichen Wesen wieder „zu einem Fleisch“ werden, indem sie ihre getrennten Hälften wiedervereinigen.

Auch wenn es gerade Männer gewöhnt sind, sich nur als Männer zu begreifen, so zeigen doch mehr und mehr Ansätze der modernen Psychologie, dass der Mensch im Grunde ein androgynes Wesen ist, das sowohl männliche, als auch weibliche Elemente auf sich vereint.

Es ist sicher das große Verdienst des Schweizer Psychiater C.G. Jung, dass er einer der ersten Wissenschaft war, der dieses psychologische Faktum der Natur beobachtet und bei seiner Beschreibung des Wachstums- und Entwicklungsweg des Menschen einbezogen hat.

3. Ausgangspunkt: Der Aufbau der (männlichen) Psyche und die Schlüsselrolle des Unterbewusstseins

Zum Einstieg in das Thema ist es günstig den Aufbau der (männlichen) Psyche zu verstehen.

Das Eisbergmodell
Das Eisbergmodell

Dabei ist das Eisbergmodell bekannt dafür, dass es den Aufbau unserer Psyche in zwei Hauptbestandteilen erklärt: Bewusstsein (dargestellt durch den Bereich über der Wasseroberfläche) und Unterbewusstsein (unter Wasser verborgene Anteile). Forschungen haben gezeigt, dass nur etwa 5 % unseres Denkens und Handelns bewusst sind. Das heißt, dass unser Bewusstsein nur für 5 % der Entscheidungen verantwortlich ist. 95 % unserer Entscheidungen und Gedanken kommen aus dem Unterbewusstsein. Dazu gehören alle Gefühle, Emotionen, Muster, automatischen Programme, Prägungen, Glaubenssätze und Angewohnheiten. Vor diesem Hintergrund wird das Unterbewusstsein mitunter auch als „Kern der Persönlichkeit” bezeichnet. Es ist Dreh- und Angelpunkt aller psychischen Wachstums- und Veränderungsprozesse eines Menschen.

Das schöpferische Potenzial in sich selbst erschließen und die Impulse des Unterbewusstseins aufnehmen

Diese bahnbrechenden Erkenntnisse zur Schlüsselrolle des Unterbewusstseins, die Anfang des 20. Jahrhunderts gewonnen wurden, stammen von dem Wiener Psychologen Sigmund Freud. Sein Kollege, der Schweizer Psychiater Carl Gustav Jung (1875–1961), hat diese Erkenntnisse dann weiterentwickelt. Für Freud war das Unbewusste vor allem ein Ort, an dem verdrängte Wünsche und Triebe aufbewahrt werden.

Für Jung hingegen war das Unbewusste ein ebenso realer Bestandteil des individuellen Lebens wie das rational-logische Bewusstsein, nur unendlich reicher und umfassender. Die Auseinandersetzung mit dem Unterbewussten (u.a. durch Symbole und Träume) war für ihn der Schlüssel eines glücklichen und gesunden Lebens.

Seine „Analytische Psychologie“ richtet sich daher auch und gerade an „gesunde“ Menschen, die das im Unterbewusstsein brachliegende Potenzial heben wollen. Jung sagt, dass jeder Mensch ein schöpferisches Potenzial hat, das er nutzen kann. Er sieht Konflikte als Chancen, um im Leben zu wachsen. Gleichzeitig kommen aus dem Unterbewusstsein Impulse, zum Beispiel durch Träume, innere Bilder, Gefühle und Stimmungen. Diese gilt es zu erschließen und aufzunehmen.

Der Entwicklungsprozess des Menschen und der Aufbau der Psyche

Jung bezeichnet den Entwicklungsprozess der menschlichen Psyche als „Individuationsprozess”. Nur wenn man die unbewussten Themen in den verschiedenen Schichten nach und nach bearbeitet, kann die Psyche reifen. Wie das genau funktioniert, zeigt die folgende Abbildung.

Der Aufbau der Psyche nach CG Jung (leicht modifiziert)
Der Aufbau der Psyche nach CG Jung (leicht modifiziert)

Im Zentrum von Jungs Persönlichkeitspsychologie steht das „Selbst“ und die sog. „Individuation“. Darunter ist die Entwicklung hin zu einer zunehmenden Bewusstheit und einer damit einhergehenden menschlichen Reife und sozialem Verantwortungsgefühl. Ziel dieses Individuationsprozesses ist, dass der Mensch mehr und mehr zu dem wird, der er von seinen Anlagen und Entwicklungsmöglichkeiten her ist. Dies kann gelingen, wenn die verschiedenen Schichten Stück für Stück bewusst gemacht, durchgearbeitet und ins Leben integriert werden, um sich im Ergebnis mit dem seelischen Zentrum und Ausdruck der Ganzheit, dem Selbst, zu verbinden. Zu den Schichten gehören die dunklen Seiten, dem sog. „Schatten“, der im Gegensatz zu dem nach außen gezeigten, gesellschaftlich erwünschten Ego steht, sowie auch die gegengeschlechtlichen Anteile (Animus = männliche Aspekte in der Frau; Anima = weibliche Aspekte im Mann). Jungs Ansatz geht dabei davon aus, dass in jedem Menschen „Ganzheit“ angelegt ist.

Einen ausführlichen Beitrag zum Aufbau der Psyche findest du hier.

Für unsere Ausgangsfrage wollen wir uns nun mit Anima und Animus auseinandersetzen.

4. Anima und der Animus als Grundbausteine in der Psyche jedes Menschen

Jung bezeichnete die Gegensätze in Frau und Mann mit Anima und Animus und leitete die Begriffe vom lateinischen „animare“ ab. Dies bedeutet „beleben“, da er Animus und Anima als belebende Seele für Frau und Mann begreift.

Als wichtiges Strukturelement der Psyche ist die Anima die unbewusste weibliche Seite der Persönlichkeit eines Mannes. Der Animus wiederrum ist die unbewusste männliche Seite der Frau. In Weiterentwicklung von Jungs Ursprungsansatz geht die Tiefenpsychologie heute davon aus, dass Anima und Animus Grundbausteine (sog. Archetypen) in der Psyche jedes Mannes und jeder Frau sind. Als Archetypen bilden sie die Basis für instinktive, nicht erlernbare Verhaltensmuster, die allen Menschen gemeinsam sind und sich im menschlichen Bewusstsein auf ganz bestimmte, typische Weise zeigen. Sie sind mit physischer Energie geladen und erfassen uns leicht auf der Gefühlsebene. 

Bezüge gibt es hier durchaus zur chinesischen Kultur, bei der von „Yin“ als dem Weiblichen und „Yan“ als dem Männlichen gesprochen wird. Diese stellen zugleich auch zwei geistige Pole dar, zwischen denen alles im Leben entlang fließt.

Ying und Yang als Ausdruck weiblicher und männlicher Energie
Ying und Yang als Ausdruck weiblicher und männlicher Energie

Und auch in der Symbolsprache der Mythen und Heiligen Schriften ist eine Grundpolarität abgebildet, die sich im männlichen und weiblichen Prinzip zeigt. Wichtig ist hierbei zu betonen, dass dies nichts mit Geschlechtsrollen zu tun hat.

Hier ein Überblick der symbolhaften Bedeutung:

Männlich wird repräsentiert durch: Bewusstsein, Geist-Prinzip, Vater Himmel, Held (Entwicklung des Bewusstseins in der Auseinandersetzung mit Welt (dem Weiblichen)

Weiblich wird repräsentiert durch: Unbewusstes, Form, (Frau) Welt, Materie, Natur, Mutter Erde, materialistisches Weltbild

David Deida, ein integraler Männercoach, beschreibt in seinem Buch „Der Weg des wahren Mannes“, dass wir zwar über beide Energien verfügen, die meisten Männer im Kern aber eine maskuline Essenz haben. Er geht davon aus (und das zeigt mir auch meine Arbeit mit Männern), dass etwa 80% der Männer eher eine maskuline Essenz haben, 10% eine eher feminine Essenz und 10% eher neutral oder ausgeglichen sind. Auch aus diesem Grund richtet sich dieser Blog-Beitrag primär an Männern mit einer maskulinen Essenz.

Ein Mann mit einer maskulinen Essenz wird dabei primär von allem angezogen, was von der Energie her weiblich ist – also erfrischend, entspannend, lebendig und strahlend. Musik, ein kühles Bier, Natur, ein See oder das Meer, feminine Frauen und Männer – all dies charakterisiert beispielhaft weibliche Energie.

Die Anziehung zwischen dem Männlichen und dem Weiblichen hat daher erstmal nichts mit den Geschlechtern zu tun. Einige Autoren und Männer-Coaches gehen deshalb in der Gleichsetzung von Mann (=maskulin) und Frau (=feminin) zu holzschnittartig vor. Gerade in meiner Arbeit mit homo- und bisexuellen Männern zeigt sich auch hier die Anziehung zwischen einem eher maskulinen und eher femininen Mann. Und – wie ich es selbst immer wieder erlebe – kann auch ein maskuliner und zugleich strahlender Mann, die Anziehungen eher femininer Männer, auf sich zu ziehen, selbst wenn diese heterosexuell geprägt sind.

Aus diesem Grund werde ich in den weiteren Ausführungen insb. von „Weiblich“ und „Männlich“ sprechen.

Und schließlich ist die Auseinandersetzung mit dem Weiblichen gleichbedeutend mit der Auseinandersetzung der (Frau) Welt. Denn sie ist ebenso hervorbringend, strahlend und belebend und zugleich chaotisch und verschlingend. Und sie fordert das Männliche heraus, dies durch das Erleben der wahren Bestimmung, durch Klarheit und mit tiefer Liebe zu durchdringen. Es macht daher keinen Unterschied, ob du dich auf das weibliche Herz deiner Partnerin/ deines Partners oder die Welt und dein Business einlässt. Beide Begegnungen – die persönliche und die gesellschaftliche -fordern Spontanität, Sensibilität und eine starke Verbindung zur eigenen Lebensmission, um die Verschlossenheit und das Chaos des Weiblichen und der Welt zu durchdringen und mit Liebe zu transformieren.

5. Anziehung von Anima und Animus und Liebe als Projektionsphänomen

Populär geworden ist das Konzept von Anima und Animus, weil es u.a. erklärt, warum wir uns verlieben und warum so eine starke Anziehungskraft zwischen dem Männlichen und Weiblichen besteht. Im Kern sind Anima und Animus die unsichtbaren Partner in jeder menschlichen Beziehung und in der Suche jedes Menschen nach seiner ganz individuellen Ganzheit.

Um diesen Zusammenhang noch besser zu verstehen, hilft uns die Kenntnis des psychologischen Mechanismus der sog. „Projektionen“. Dabei projizieren wir, wie ein Diaprojektor im Bild unten, unsere eigenen inneren Themen und Bilder auf einen anderen Menschen oder eine Situation.

Projektionsmechanismus
Projektionsmechanismus

Projektionen treten immer dann in Kraft, wenn ein wesentlicher, uns selbst noch unbewusster Teil unserer Persönlichkeit, aktiviert wird. Wenn wir projizieren, sehen wir außerhalb von uns etwas, als gehöre es zu jemanden anderen und hätte mit uns nichts zu tun und spüren gleichzeitig eine starke emotionale Ladung. Wir projizieren dabei unbewusst und automatisch. So wurden z.B. Anima und Animus auf mythologische Gestalten, auf Göttinnen und Götter projiziert – und eben auch ganz wesentlich auf lebendige Männer und Frauen.

Werden Anima und Animus auf Menschen projiziert, sehen wir sie mit anderen Augen. Zumeist projiziert der maskuline Mann die Anima auf die Frau und die feminine Frau ihren Animus auf den Mann. Wir finden dann also im Außen das so anziehend, was wir ins uns selbst noch entdecken und kultivieren dürfen. Dies zeigt sich insbesondere dann, wenn wir uns Hals über Kopf in einen Menschen verlieben, obwohl wir ihn als Persönlichkeit noch gar nicht kennen. Nicht selten sind Menschen dann fasziniert und hingerissen und dennoch entsteht nach der Phase der Verliebtheit, wenn die rosarote Brille gefallen ist, keine echte Liebe und keine stabile Beziehung. In solchen Fällen greift der weiter oben beschriebene Mechanismus der Projektion: wir projizieren dann unsere inneren, positiven Bilder unserer Anima bzw. unseres Animus auf den jeweils anderen Menschen und verlieben uns damit quasi in einen noch unbewussten Teil unserer selbst.

Die folgende Abbildung veranschaulicht diesen innerpsychischen Mechanismus im Detail. Ausgangspunkt ist das Ego in Mann und Frau. Dieses identifiziert sich zumeist nur mit der männlichen bzw. weiblichen Beschaffenheit des Körpers. Anima und Animus werden damit zu einer Funktion des Unbewussten. Auf der bewussten Ebene besteht eine Verbindung zwischen der Ego-Persönlichkeit von Mann und Frau, die sich in der roten Linie Nr. 1 zeigt. Gleichzeitig besteht aufgrund der Anima- bzw. Animusprojektion eine starke Verbindung, dargestellt durch die gelbe Linie Nr. 2 und 2.1. Die zentrale Verbindung zeigt die violette Linie Nr. 3, welche die Anziehung auf unbewusster Ebene verdeutlicht. Nämlich so, als ob sich die Anima des Mannes in den Animus der Frau verliebt. Hier liegt die magnetische Anziehungskraft zwischen dem Männlichen und dem Weiblichen begründet. Liebe und (sexuelle) Anziehungen basiert damit auf Projektionen.

Projektionsmechanismus unter Einbeziehung von Anima und Animus, </br>
Quelle: mit Änderungen entnommen aus: „Unsere unsichtbaren Partner“, S. 29, J. Sanford
Projektionsmechanismus unter Einbeziehung von Anima und Animus,
Quelle: mit Änderungen entnommen aus: „Unsere unsichtbaren Partner“, S. 29, J. Sanford

Daher sind Projektionen an sich ein völlig natürlicher Vorgang, der immer abläuft und weder gut noch schlecht ist. Das Wissen um den Projektionsmechanismus hilft uns allerdings nun, die projizierten Bilder als Spiegel zu nutzen. Und zwar indem wir die eigenen psychischen Inhalte reflektiert sehen und die nach außen projizierten Bildern zu einem bestimmten Grad wieder in uns selbst aufnehmen, um „ganzer“ werden. Damit bietet sich mit jeder Projektion die Chance, unsere inneren, unsichtbaren Partner kennenzulernen und damit einen Weg zur Verbindung mit unserer Seele zu bahnen. 

6. Das Wirken der Anima im Mann

Die Anima im Mann verkörpert alle weiblichen Seeleneigenschaften, Gefühle, Stimmungen, Kreativität, Empfänglichkeiten für das Spirituelle, Naturverbundenheit, Intuition, die persönliche Liebesfähigkeit und als Wichtigstes die Beziehung zum Unbewussten.

Die individuelle Ausprägung der Anima im Mann ist ganz wesentlich vom Charakter seiner Mutter und seiner Beziehung zu ihr geprägt. Ob die Anima positiv oder negativ im Leben eines Mannes agiert, hängt ferner davon ab, ob er eine bewusste Verbindung zu ihr hat. Der negative Aspekt zeigt sich immer dann, wenn ein Mann sich seiner weiblichen Seite nicht bewusst ist oder sie sogar abwertet. Die Anima ergreift dann in dem Umfang Besitz vom Mann, indem er es versäumt, weibliche Werte in sich selbst (z.B. Gefühle wahrzunehmen und auszudrücken), in seinem Leben („Frau Welt“) und in seinen weiblichen Partnern wirklich zu sehen und zu respektieren. Dies zeigt sich oft in depressiven Launen, Reizbarkeit, Überempfindlichkeit und Unzufriedenheit. Der Mann verhält dich dann, für alle Welt sichtbar, wie eine Art minderwertige Frau. Nämlich mürrisch, nörglerisch, tratschend und durch giftig-bösartige Bemerkungen auffallend. Jeder hat so einen Mann schon mal erlebt. Diese destruktiven Stimmungen vernebeln die männliche Klarheit, vergiften die kreativen Impulse und führen generell zu einer eher verschwommenen und hilflosen Sicht auf das Leben.

Wenn die Anima integriert ist, hat sie viele positive Seiten. Denn sie erweitert das Bewusstsein des Mannes, indem sie ihm durch Inspiration, Träume, kreative Impulse die Brücke zum Reichtum der inneren Seelenwelt herstellt. Und damit idealerweise die starke „Kopflastigkeit“ und eine damit einhergehende Trockenheit auflockert und das Leben wieder ins Fließen bringt. Jung führt hier sinngemäß aus, dass wenn die Impulse der Anima vom (männlichen) Bewusstsein akzeptiert, dirigiert und integriert werden, dies dem Wachstum der ganzen Persönlichkeit dient. Die Anima verleiht dem Mann Herz und erweckt und fördert seine Liebes- und Bindungsfähigkeit und den Eros. In ihrer höchsten Ausprägungsform erreicht die Anima die Schlüsselfunktion für jeden auf dem Weg nach Erleuchtung, Ganzheit und integraler Entwicklung strebenden Mannes: nämlich als die Führerin nach innen. Als Brücke zum wahren Selbst, zur Einheit, zum Göttlichen in sich selbst, indem der Eros spirituell gelebt wird. 

Ich erkläre euch jetzt, welche Entwicklungsstufen der Mann dabei durchläuft.

7. Entwicklungs- und Reifungsweg eines Mannes und die Integration des Weiblichen

C.G. Jung hat in seinen Forschungen herausgearbeitet, dass es vier Stufen gibt, auf denen der Mann die Anima erfährt.

Die Stufen zeigen, dass der Mann immer bewusster wird. Ein Mann, der sich selbst auf einer niedrigen, unbewussten Stufe sieht, erlebt die Anima auf einer niedrigen Ebene. Und kann deshalb ihre höheren Werte und fruchtbaren Impulse nicht verstehen und leben. Wenn sich der Mann weiterentwickelt und seine Bewusstheit z. B. durch Transformationsarbeit und Coaching wächst, kann die Anima in ihm sehr bedeutungsvoll werden und ihm zu mehr Ganzheit und schließlich Erleuchtung führen.

Wir wollen uns nun diese vier Stufen der Entwicklung der Anima im Detail erkunden. Und die Einladung ist dich zu fragen, welches Weiblichkeitsbild (und damit zugleich Weltbild) am ehesten auf dich zutrifft und wo du damit in deiner Entwicklung stehst:

1. Stufe: Eva – das Weibliche als stetige umsorgende Mutter

Auf dieser Stufe ist die Anima des Mannes vollständig mit dem Bildnis der Mutter verbunden. Das muss nicht notwendigerweise die eigene Mutter sein, sondern ein Weiblichkeitsbildnis, indem das Weibliche ihm eine gewissenhafte, stetig umsorgende Spenderin von Liebe, Nahrung und Sicherheit ist.

Männer auf dieser Stufe der Anima-Integration sind oft abhängig vom Weiblichen und fühlen sich von ihnen kontrolliert. Der Mann ist hier sehr launisch, zaghaft, unterliegt Stimmungsschwankungen und ihm fehlt Richtung, Mut und Klarheit im Leben. Er leidet zumeist an Impotenz, hat kein sexuelles Verlangen und wird deshalb häufig als „Muttersöhnchen“ bezeichnet. Das damit korrelierende Weltbild zeigt einen Mann, der sich einen alles umfassenden, umsorgenden Staat wünscht, der ihn (obgleich Erwachsen) wie ein Kind stetig umsorgt und vor allen Herausforderungen des Lebens schützt.

2. Stufe: Helena – das Weibliche als Sexobjekt

Auf der zweiten Stufe steht eine romantische und ästhetische Form des Eros, vermischt mit sexuellen Elementen im Fokus des Weiblichkeitsbildes.

Das Weibliche wird hier mit Einfluss und Ambition gesehen, aber immer noch mit dem Aspekt, dass es ohne moralische Standards ist. Häufig bildet sich im Mann dann eine Art „Don Juan Komplex“, indem er versucht über eigene sexuelle Eroberungen, Macht über das Weibliche zu gewinnen. Seine Männlichkeit und seinen Selbstwert versucht er (vergeblich) über diese sexuelle Eroberung darzustellen. Manchmal entwickeln sich dabei sexuelle Affären und Beziehungen. Diese sind allerdings kurzlebig, da der Mann nicht treu sein kann, stets auf der Suche ist und niemand seinen unrealistisches Weiblichkeitsideal erfüllen kann. Wir finden solche Männer z.B. in der „Pick-up-Szene“. 

Der Mann auf dieser Stufe zeigt Initiative und Mut, ist aber noch sehr von seinem Herzen abgeschnitten, weshalb ihm Kreativität, Fantasie und Vorstellungskraft fehlen. Er wirkt zwar nach außen durchaus stark, aber doch auch aufgesetzt und gezwungen. In der Welt jagt er den schönen materiellen Dingen („mein Haus, mein Auto, mein Boot…“) hinterher, ist stark auf Befriedigung seiner egozentrierten Lust- und Genussbedürfnisse ausgerichtet, bei denen er im Inneren allerdings keine wirkliche Erfüllung findet.

3. Stufe: Maria – das Weibliche, als der Maßstab für Reinheit und Integrität

Das Weibliche wird hier als eigenständig wahrgenommen, mit eigenen Zielen und Weltanschauungen. Langfristige Beziehungen, Familiengründung und Freundschaften sind jetzt möglich. Die Sexualität ist nunmehr integriert und keine autonome Kraft, die ihn (wie in der Vorstufe) besetzt.

Allerdings wird das Weibliche mit übertriebenen Maßstäben beweihräuchert. Dass was vorher, wo v.a. der sexuelle Eros im Fokus stand, fehlte, findet nun im übertriebenen Maße statt. Das Weibliche wird sakralisiert und zu „Heiligen Marien“ gemacht, was auch die Bezeichnung der Stufe verdeutlicht. In Analogie zur Marienverehrung in der Katholischen Kirche ist das Weiblichkeitsbild durch sehr reine und moralische Gepflogenheiten geprägt.

Der Mann auf dieser Stufe der Anima-Integration lebt ein bürgerliches Leben, indem Regeln, Normen und Dogmen der Gesellschaft, der (Frau) Welt eingehalten werden und v.a. das gelebt wird, was gesellschaftlich „gut“ und „erlaubt“ ist. Auf das Weibliche wird die Rolle der Engelshüterinnen dieser Dogmen projiziert. Das Weibliche, die Welt, entscheiden dabei, wie Männer zu sein haben, was richtig und was falsch ist.

Durch dieses Weiblichkeitsbild hemmt der Mann natürlich seine eigene Freiheit und Authentizität. Ihm fehlt es noch an Weisheit und Verbindung zu seinem Unbewussten, als Quelle seiner eigenen Wahrheit.

4. Stufe: Sophia (Göttin der Weisheit) – das Weibliche als Führerin nach Innen zu Weisheit, Ganzheit und Vollkommenheit

Auf dieser Stufe ist die Anima mehr und mehr voll integriert und der Mann projiziert keine eigenen Entwicklungsdefizite auf das Weibliche und sieht es als das was es ist: strahlend und hervorbringend und zugleich zurücknehmend und verschlingend. So wie sich der Kreislauf des Lebens/ der Welt zeigt.

Auf dieser Basis entsteht nun eine echte und authentische Kommunikation mit der eigenen Intuition. Der Mann ist nun bereit sich den Schlüsselfragen seines Lebens zu stellen (z.B. „Wer bin ich?“, „Was ist der Sinn meines Lebens?“). Die Anima auf dieser Stufe ist dabei die Führerin nach Innen zu wahrer Kreativität, Inspiration und Vorstellungskraft und zur Entwicklung seines Bewusstseins in der geistigen Welt. Er verfügt damit über eine starke Verbindung zu seiner Intuition und zum wahren Selbst, dem Göttlichen in sich. Diese kann sich nur so stark etablieren, wie der Mann seine spirituelle Entwicklung lebt.

In manchen Fällen erscheint dem Mann auf dem Weg der Bewusstwerdung eine reale, weise, gereifte Frau, die ihm auf den ersten Schritten der inneren Reise unterstützt. In meinem Leben ist dies meine Mentorin Karin. Sie ist eine strahlend schöne Frau, die durch ihren eigenen Transformationsprozess in allerbester Weise männliche und weibliche Anteile in sich ausbalanciert hat. Und deshalb in so wunderbarer Weise mich immer wieder dabei unterstützt, mich mit meiner Anima zu verbinden und meinen Reifungsprozess voranzutreiben.

Mentor:innen können den Mann bei seiner Anima-Integration sehr hilfreich sein. Hier: meine Mentorin Karin und ich
Mentor:innen können den Mann bei seiner Anima-Integration sehr hilfreich sein. Hier: meine Mentorin Karin und ich

Im Ergebnis der Anima-Integration auf dieser höchsten Stufe hat es der Mann geschafft das Weibliche in die maskuline Ordnung seiner Psyche zu integrieren, die dann in einem harmonischen Wechselspiel zum Ausdruck kommt. Er ist ausbalanciert, ins Gleichgewicht gekommen und hat Ganzheit und Vollkommenheit in sich selbst verwirklicht. Das was er vorher an Weiblichen im Außen/ in der Welt gesucht und projiziert hat, hat er nunmehr in sich selbst kultiviert. Durch die vollständige „Eroberung“ der inneren Frau in dieser höchsten Stufe, hat er die Welt und das Weibliche im Außen hinter sich gelassen.Genauso, wie es in der griechischen Tragödie des König Ödipus, dessen Weg die Heldenreise jeden maskulinen Mannes symbolisiert, an einer sehr markanten Stelle beschrieben wird. Und zwar als er sich von der Verstrickung mit dem Weiblichen und der Welt (dargestellt durch seine erhängte Frau) vollständig löst, indem er schlussendlich alle Projektionen auflöst. Dies wird dargestellt, indem er sich mit einer Nadel die Augen selbst aussticht. Und schließlich sein äußeres Königreich verlässt und als blinder Bettler von seinen Töchtern (als Symbol der Anima) zum Heiligen Hain geführt und dort in den Kreis der Götter, als „Erleuchteter“ aufgenommen wird.

Wird also die Anima voll integriert und jede Projektion aufgelöst, löst sich damit auch die Polarität zwischen dem Männlichen und Weiblichen in Ganzheit auf. Diese doch sehr tiefgreifende Erkenntnis wird, bewusst oder durch Unkenntnis, von vielen Männer-Coaches und anderen Weisheitslehrern vielfach unterschlagen. Denn es bedeutet natürlich auch, dass die sexuelle Anziehung, die im Kern auf Projektionen beruht, auf dem Weg der Bewusstwerdung sich immer mehr verändert und am Ende für den „erleuchteten, integralen Mann“ gänzlich aufgehoben wird. Meine Arbeit mit Männern ist genau darauf gerichtet, diesen Bewusstseinszustand zu erreichen, auch wenn es nur wenigen Suchenden gelingen wird.

Die Liebe eines so erleuchteten Mannes beschreibt Osho als kühl, da ihr jede Hitze der (sexuellen) Leidenschaft fehlt. Zudem braucht die Liebe keine Beziehung, sondern die Liebe dieses Mannes ist zu seinem „Seinszustand“ geworden. Er ist Liebe, er verströmt Liebe, so wie eine Blume im Garten ihren Duft verströmt und unterschiedslos von Jedem empfangen werden kann. Diese Liebe fließt so still aus ihm, sie ist so eins geworden mit ihm, dass ihm dies gar nicht bewusst ist. Die Empfänger werden sich gleichwohl von ihm geliebt fühlen. Doch er gibt nichts, er ist einfach so, ganz, vollständig und erleuchtet, da er die Dualität und Polarität überwunden hat. Und damit wird sein Leben und sein Sosein zur Quelle für vollständige Harmonie und inneren Frieden für sich selbst und transformiert so sein Umfeld. Wie innen, so außen.

Ich zeige euch jetzt, wie durch Transformationsarbeit im Coaching die Reifung der Anima unterstützt werden kann. Dafür habe ich ein paar Beispiele aus meiner Coachingpraxis mitgebracht.

8. Beispiele aus meiner Coachingpraxis

Carlos (Name geändert), 43, Ingenieur und stellv. Teamleiter in einem mittelständischen Unternehmen arbeitet mit mir im Rahmen eines Führungskräftetrainings zum Thema „Konfliktmanagement“ zusammen. Nach dem Trainings vereinbaren wir die Zusammenarbeit im Rahmen eines Integralen Coachings fortzusetzen. Ein zentrales Thema ist dabei Carlos enge Verbindung zu einem jungen Mann, Tim, 23 (Name geändert), kaufmännischer Mitarbeiter, die sein Leben stark beeinflusst. 

Carlos lernte Tim in der Kantine des Unternehmens kennen. Wie er mir sagte, fiel ihm zu dieser Zeit, seine besondere Ausstrahlung auf und zugleich eine gewisse Traurigkeit. Er sprach ihn an und es entspann sich ein angenehmes Gespräch. Bald schon trafen sie sich privat für Wanderungen in der Natur. So konnten sich beide besser kennenlernen. Wie Carlos berichtete, öffnet sich Tim sehr schnell und berichtete von seiner Unzufriedenheit im Leben. Dies bezog sich auf seinen fehlenden Erfolg bei Frauen, aber auch im Umgang mit seinen Freunden, mit denen es ihm mehr und mehr schwerfiel noch Themen zu finden, die ihn ansprachen, da er selbst für sein Alter schon sehr reif und gebildet war. Aus seiner Zeit im Leistungssport und auf Grund seines Vaters, eines Geschäftsführers, der seine Liebe stark an Erfolg knüpfte, verglich er sich stets mit anderen und litt unter einem niedrigen Selbstwert. Und dass, obwohl er sehr intelligent und sehr attraktiv ist, wie mir Carlos versicherte. Carlos nutzte diese persönlichen Momente auch um abzuklären, ob Tim für eine homosexuelle Verbindung offen sei, was dieser aber verneinte. Gleichwohl entwickelte sich die Freundschaft der beiden stetig weiter, da Tim in Carlos einen Menschen sah, der ihn so wertschätzte wie er war und mit dem er anspruchsvolle Themen reflektieren konnte. Auf dieser Basis machte Carlos, Tim den Vorschlag ihn als Mentor zu begleiten, was dieser mit Begeisterung aufgriff. Er versorgte ihn mit Literatur und Denkimpulsen, die Tim halfen mehr und mehr Selbstbewusstsein aufzubauen. Dies führt allerdings auch dazu, dass er immer öfters seine eigenen Wege ging und auch Treffen mit Carlos absagte. Das ärgerte Carlos sehr und da dies mehrfach vorkam, beschloss er das Mentoring zu beenden. Dazu wollte er ein letztes Treffen am See nutzen, um ihm diese Entscheidung mitzuteilen. Carlos beschrieb dieses Treffen als sehr ambivalent und war ganz von Tim eingenommen, als er ihn beim Baden in seiner strahlenden, jugendlichen Schönheit sah. Dennoch führte er das Gespräch und beendete das Mentoring. Beide gingen mit Trauer und Niedergeschlagenheit auseinander. 

In diesem Moment der Trennung wurde Carlos mit großer Wucht bewusst, dass er sich Hals über Kopf in Tim verliebt hatte. Daher suchte er wenig später wieder Kontakt zu Tim, der ebenfalls glücklich war, sich wieder mit Carlos zu verbinden. Als er ihm allerdings wenig später seine Liebe gestand, war Tim mit der Situation völlig überfordert: wollte er den liebgewonnenen Freund und Mentor nicht verlieren. Beide erkannten allerdings, dass auf dieser Basis keine Verbindung möglich ist. Sie nahmen sich eine Pause, was gerade für Carlos sehr schmerzhaft war, da er Tim fast täglich im Unternehmen begegnete. Dies war die Zeit als wir zusammen an diesem Thema arbeiteten. Wie mir meine Arbeit mit Männern zeigt, war es auch hier notwendig, den Schmerz der Zurückweisung wirklich zu spüren, in mehreren Schritten durchzuarbeiten, um mehr und mehr Loslassen zu können. Und zugleich half ich Carlos dabei herauszustellen, was er so sehr an Tim bewunderte: es war seine jugendliche Frische und seine adonishafte Ausstrahlung, die einen starken, männlichen Körper mit einem eher weiblichen Strahlen und einer Grazie, Schönheit und Frische verband. Carlos schwärmte dabei sehr oft davon, wie elegant, strahlend und kokett Tim in jeder Lebenssituation gekleidet war. Diese „Faszination“, diese numinose Hingezogenheit, war für mich – in Kenntnis des beschriebenen Projektionsmechanismus und der Ausprägungsformen der Anima- nunmehr der Anhaltspunkt, Carlos beim Aufdecken dieser Projektion zu unterstützen. Dazu schlug ich ihm vor, eine von mir angeleitete Fantasiereise zu seiner Anima durchzuführen. Im Ergebnis dieser Kreativtechnik bat ich ihn, ein Bild seiner Anima zu zeichnen, die ihm in seinen inneren Bildern aus dem Unbewussten erschienen war. Es war das Bild eines jungen, strahlenden, blonden jungen Mannes sehr vornehm im Anzug gekleidet. Ich lies Carlos nun Zeit über dieses innere Bild zu meditieren. In einer der folgenden Coaching-Sessions erkannte er, dass das Bild der Anima starke Überschneidung zu Aussehen und Habitus von Tim besaß und – vielleicht noch wichtiger – sein „Männergeschmack“ sehr stark diesem inneren Bild der Anima entsprach. So berichtete er von mehreren Affären mit jungen, athletischen, blonden Männern, die ihn immer wieder faszinierten. Er hatte sich also immer wieder in das Bild der eigenen Anima „verliebt“. Und er erkannte, dass die Anziehung zu Tim ganz maßgeblich durch die Anima-Projektion begründet war. Die Anziehungskraft und Faszination ist damit in Wahrheit das Erscheinen der Anima in projizierter Form. Die Anima fordert ihn nun dazu auf, die Projektion aufzulösen und den projizierten Inhalt in sich selbst zu erkennen und zu erleben.

Gemeinsam erarbeiteten wir nun Möglichkeiten, wie die Anima in ihm selbst, stärker leben darf. Ein wichtiger Aspekt war dabei die Arbeit an begrenzenden Glaubenssätzen über das eigene Aussehen von Carlos, die ihm half, sich mehr und mehr in seiner ganzen Schönheit zu zeigen. Dies wurde flankiert, durch das Integrale Körpertraining, das ihm half sein leichtes Übergewicht abzubauen und wieder mehr ins Spüren und Fühlen zu kommen. Zudem berichtete er mir, dass er in seiner Jugend gerne gezeichnet hatte. Ich ermuntere ihn dieses Hobby, dass natürlich die Anima fördert, wieder aufzunehmen. Da Carlos zudem den Wunsch nach sinnlichem und zugleich verbundenem Ausleben seiner Sexualität hatte, empfahl ich ihm dies im Rahmen eines tantrischen Umfeldes zu erleben. Dabei steht u.a. das Spüren und Fühlen von sich selbst und das anderer Menschen durch Berührungs- und Verbundenheitsübungen im Mittelpunkt der Erfahrung. Auch dies förderte seine Anima-Entwicklung.

Gestärkt durch diese Bewusstwerdung und Gefühlserfahrungen suchte er wieder Kontakt zu Tim, dem er nun mit neutralen Augen gegenübertreten konnte. Die Begegnung zwischen beiden war durch eine neue Form der Herzlichkeit und Verbundenheit geprägt, wie mir Carlos berichtet. In der Folge war die Verbindung zwischen beiden so stark ausgeprägt, dass Carlos sogar Tantraübungen mit Tim erlebte. Sodass sich darauf zunächst eine ganze besondere Männerfreundschaft mit viel Verbundenheit und Nähe auf platonischer Ebene entwickelte. Allerdings wurden die Treffen immer seltener und das Verhältnis bekam Risse, als sich Tim immer mehr zurückzog. Er hatte mittlerweile ein Studium begonnen, hatte neue Freunde unter seinen Kommilitonen gewonnen und war nunmehr eher an schnellen Autos und Krypto-Währung interessiert, als an Persönlichkeitsentwicklung und Literatur, wie Carlos berichtet. Als Tim zum wiederholten Male ein Treffen absagte, stellte ihn Carlos zur Rede. Dabei wurde deutlich, dass es kein gemeinsames Wertefundament mehr gab: denn während Carlos weiter seine innere Entwicklung vorantrieb und mehr ins Spüren und Fühlen kommen wollte, war für Tim die äußere Welt mit Erfolg und Wohlstand der Fokus im Leben. Und so beschlossen beide, in ihrer Freundschaft eine Pause einzulegen. 

In den folgenden Coaching-Sitzungen unterstützte ich Carlos dabei, mehr und mehr loszulassen, geeignete weitere Möglichkeiten zur Entwicklung der Anima zu kultivieren und neue Männer kennenzulernen. Carlos berichtete mir, dass er einige Monate später Tim in der Stadt traf und sie sich in einem kurzen Gespräch austauschten. Wie Carlos etwas verwundert feststellte, war es ein höfliches Gespräch, aber ohne jegliche emotionale Ladung. In der gemeinsamen Arbeit im Coaching arbeiteten wir heraus, dass durch Auflösen der Projektionen nunmehr eine Neutralisierung stattgefunden hatte. Der starken Anziehung war ein höflicher und neutraler Umgang gewichen. Es verwundert daher auch nicht, dass die Pause in der Freundschaft nunmehr zwei Jahre andauert und von Carlos Seite auch kein Wunsch zur Kontaktaufnahme besteht. Auch dies aufgreifend schlug Carlos vor, in einer Imagination erneut Kontakt zu seiner Anima aufzunehmen. Hier zeigte sich nunmehr ein Bild eines attraktiven, gebildeten und spirituellen, blonden Mannes, ungefähr im Alter von Carlos. Der jugendlichen Schönheit waren also Attribute der Reife und Weisheit gewichen. Die Anima war also im wahrsten Sinne des Wortes gereift und auf das reale Lebensalter von Carlos herangewachsen. Dieses innere Wachstum, wesentlich unterstützt durch die gemeineinsame Transformationsarbeit, wirkte sich auch auf das Liebesleben von Carlos aus: standen vorher Affären mit jungen Männern im Fokus, war er nun offen für wirkliche Begegnung mit gereiften Männern und fühlt sich nunmehr auch mehr und mehr zu diesen hingezogen. Wie innen, so außen.

Wenn wir nun die gesamte Dynamik zwischen Carlos und Tim anschauen, so zeigt sich ein archetypisches Phänomen, das der Tiefenpsychologie John Sanford sehr anschaulich deutet: Nämlich die Anziehung zwischen einem meist älteren Mann oder Mann mittleren Alters und einem deutlich jüngeren Mann, der die Eigenschaften eines Adonis auf sich vereint.

Die Figur des David von Michelangelo ist eine prägnante Darstellung eines jungen Adonis, der zugleich männliche und weibliche Attribute auf sich vereint.
Die Figur des David von Michelangelo ist eine prägnante Darstellung eines jungen Adonis, der zugleich männliche und weibliche Attribute auf sich vereint.

Dieser junge Mann vereint dann sowohl männliche, als auch weibliche Attribute auf sich, was sich z.B. in einem männlich-athletischen Körper und zugleich einer eher weiblichen Frische und Schönheit zeigt. Der junge Adonis verkörpert damit eine Ganzheit von weiblichen und männlichen Anteilen, die die Projektionsfläche für das Fehlende im älteren Mann dient. In unserem konkreten Fall projizierte vor allem Carlos seine Anima auf Tim. Wir können vermuten, dass Tim sich wiederum zu Carlos deshalb hingezogen fühlte, da er dessen Weisheit, Stärke und zugleich bedingungslose Liebe sehr anziehend fand. Wir können sagen, dass er seinem (im Unterbewussten vergrabenen) Animus auf Carlos projizierte. Die Ursache für die (sexuelle) Anziehungen der beiden war vermutlich im Kern auf die Sehnsucht nach Ganzheit zurückzuführen. Und die Faszination und Energie für die Verbindung stammte scheinbar aus dem tiefen Bedürfnis beider Männer, das in sich zu integrieren, was der andere darstellte. Nachdem dies Stück für Stück erfolgte, zeigte sich, dass die Anziehung immer mehr zurückging und am Ende quasi eine völlige Entpolarisierung erfolgte, da die Projektionen zurückgenommen wurden. Dies ist- wie beschrieben – möglich, wenn die der Projektionen zugrundeliegenden Eigenschaften und Attribute mehr und mehr in sich selbst kultiviert und gelebt werden.

Das Phänomen des Schwärmens eines älteren Mannes für einen jüngeren erlebe ich in meiner Arbeit mit homo- und bisexuellen Männern durchaus häufig. Sanfort führt dazu aus, dass es sich dabei der ältere Mann zumeist zu sehr mit dem Archetypen des „Alten“ identifiziert, der also zu streng oder zu intellektuell ist, der also zu schnell altert oder zu sehr in seinem Machtstreben verfangen ist. Er sehnt sich also nach dem Eros, der jugendlichen Frische und Leichtigkeit, welches er auf die adonishafte Gestalt und Ausstrahlung des jüngeren Mannes projiziert, in der Hoffnung die eigene Einseitigkeit aufzuwiegen und Ganzheit zu erlangen. Der Nobelpreisträger Thomas Mann hat diesem Phänomen des homoerotischen Verlangens mit der Novelle „Der Tod in Venedig“ ein literarisches Denkmal gesetzt, in der sich der alternde Schriftsteller Aschenbach in den jungen Tadzio verliebt. Thomas Mann hat damit – wie wir heute wissen- wahrscheinlich auch versucht, eigene Traumata zu verarbeiten. Denn die Offenlegung der Tagebücher von Thomas Mann zeigt eine starke homoerotische Neigung, die er aus großer Angst vor gesellschaftlicher Ächtung zeitlebens nie ausgelebt hat und nach außen sogar ein heterosexuelles Familienleben führte. Gleichwohl, so berichten es seine Tagebücher, war er scheinbar immer wieder von starken Schwärmereien und Gefühlaufwallungen, bis ins hohe Alter, für junge, strahlend schöne Männer ergriffen. Das muss für Thomas Mann eine echt anstrengende Zeit gewesen sein. Meine Erfahrung mit Männern in der zweiten Lebenshälfte zeigt mir, dass der Versuch, die eigene sexuelle Identität zu unterdrücken, die emotionale Ladung der Projektion nur noch weiter erhöht. Schließlich steigt mit der eigenen Endlichkeit der innere Drang, dass „ungelebte Leben“ (C. G. Jung) zu leben.

Im heterosexuellen Kontext begegnet mir in meiner Arbeit mit Männern ein ähnliches Phänomen: Ein erfolgreicher Mann in den 50 oder 60igern mit Frau und Familie unterhält eine Affäre zu einer wesentlich jüngeren Frau oder verlässt gar seine Familie für diese jüngere Frau. Auf einer tieferen Ebene zeigt sich dabei durchaus die Schwierigkeiten des Mannes zu akzeptieren, dass er altert. Er möchte durch seine Affäre das Vorrücken der Jahre verzögern und letztendlich zeigt sich in diesem Verhalten die Sehnsucht nach Erneuerung des Bewusstseins. Diese Wünsche sind natürlich nicht durch die Affäre (sie werden nur nach außen projiziert) erfüllbar, sondern nur durch die Auseinandersetzung mit der Anima als Teil des seines Unbewussten.

9. Praktische Techniken für Deinen Entwicklungsweg zum wahren, integralen Mann

Abschließend soll nun die Frage reflektiert werden, wie sich der Mann hin zu immer mehr Ganzheit, Einheit und Vollkommenheit entwickeln kann. C. G. Jung hat die Hauptaufgaben sehr treffend auf den Punkt gebracht:

„Die Integration des Schattens ist das Gesellenstück im Prozess der Ganzwerdung eines Mannes und die Integration der Anima das Meisterstück.“ (C. G. Jung)

Der Wachstumsweg des wahren, integralen Mannes ist dabei für den maskulinen Mann so gestaltet: In der ersten Lebenshälfte soll er die männliche Seite (seinen Animus) und damit seine Ich-Entfaltung) voll leben. Anschließend darf er sich seine Schattenthemen anschauen und bearbeiten. Wie genau beschreibe ich in diesem Beitrag zum Thema Schattenarbeit. Und schließlich ist es die Aufgabe in der zweiten Lebenshälfte das Weibliche (Anima) in sich selbst zu entdecken und mit dem männlichen Anteil zu verbinden. Für Frauen mit femininer Essenz gilt übrigens sachlogisch Umgekehrtes.

Um dies zu erreichen, bietet das „Integrale Denken nach Ken Wilber“, das übergeordnete Mind-Set und baut auf die Tiefenpsychologie von C. G. Jung auf. Mehr zum Integralen Denken findest du übrigens in diesem Blog-Beitrag. Dazu hat die Integrale Bewegung eine sog. „Integrale Lebenspraxis (ILP)“, als praktischen Aspekt des Integralen Denkens entwickelt. Diese ist für mich der wesentlichste Schlüssel zu menschlichem Wachstum im 21. Jahrhundert. ILP ist eine Synthese des „Feinsten vom Feinsten“. Also die Essenz und Zusammenstellung von Techniken und Praktiken der alten Weisheitstraditionen mit neuesten Erkenntnissen aus Psychologie, Neurowissenschaften und Bewusstseinsforschung. 

Ich habe dazu einen 12-Punkte-Plan entwickelt, mit dem du dich konsequent entwickeln und mit deiner Anima verbinden kannst.

Ich schicke dir den 12-Punkte-Plan gerne kostenlos zu. Schreib mir einfach eine E-Mail mit dem Stichwort „Animaintegration“ und ich schicke dir den Plan als PDF-Dokument zu. Hier geht’s zum Kontaktformular.

Du willst mehr über den Aufbau der Psyche und integrale Wachstumswege erfahren?

Habe ich deine Neugier geweckt und möchtest du freier, authentischer und glücklicher leben? Gerne unterstütze ich dich auf diesem Weg. Kontaktiere mich gern michael.koenig@gemeinsam-aufsteigen.de

und lass uns Gemeinsam Aufsteigen!

Herzliche Grüße,

Michael

verwendete und für die vertiefende Betrachtung empfohlene Literatur/Links:

– „Integrale Lebenspraxis“ (Ken Wilber et al.)
– „Integrale Beziehungen“ (Martin Ucik)
– „Das Buch der Geheimnisse“ (Osho)
– „Unsere unsichtbaren Partner“ (John A. Sanford)
– „Der Mensch und seine Symbole (C. G. Jung)
– „Der Weg des wahren Mannes“ (David Deida)
– „Der Schatten in uns“ (Verena Kast)
– „Ödipus der Rätsellöser – Die Erlösung der menschlichen Seele“ (Vortrag von T. Dethlefsen)

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