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Transformation & Schattenarbeit
„Niemand kann über seinen Schatten springen!“ oder „Wo Licht ist, ist auch Schatten!“ Schon der Volksmund weiß um das Vorhandensein einen Schattens, jener dunklen und unberechenbaren Persönlichkeitsanteile in uns. Sicher hattest du schon mal einen Wutausbruch, erlebst immer wiederkehrende Konflikte oder hast möglicherweise auch schon eine Dummheit begangen, die du dir bei Licht betrachtet, nicht erklären konntest…
Der Transformationsprozess
Heute lüfte ich das Geheimnis hinter all diesen belastenden Situationen in deinem Leben und zeige dir, wie du diese kraftvoll transformieren kannst. Die folgenden Ausführungen beruhen auf meiner Coaching Erfahrung und meiner eigenen Transformation und werden durch fundierte und empfehlenswerte Literatur angereichert, die ich am Ende des Beitrags aufführe.
1. Was ist der Schatten und wie entsteht er?
Der Begriff des „Schattens“ wurde geprägt durch den Schweizer Psychologen C.G. Jung und umfasst die dunkle Seite unserer Persönlichkeit, die sich insb. in Krisen, Konflikten und Krankheiten aber auch in Idealisierung zeigt. Es sind die Persönlichkeitsanteile in uns, die die größten Wachstumschancen für unsere Persönlichkeit darstellen, wenn sie bewusst gemacht und integriert werden.
Der Schatten ist eine wichtige Schicht des zwiebelschalenartigen Modells der Psyche von Jung, wie folgende Abbildung zeigt:
Der Aufbau der Psyche nach C.G. Jung (leicht modifiziert)
Wachstum und Entwicklung kann dabei nur erfolgen, wenn die verschiedenen Schichten Stück für Stück bewusst gemacht, durchgearbeitet und ins Leben integriert werden. An dieser Stelle werde ich lediglich auf das „Ego“ (rote Schicht) und den „Schatten“ eingehen. Eine ausführliche Erläuterung zum Aufbau der Psyche findest du bei Interesse hier.
Das Ego umfasst alle Eigenschaften, die wir in den verschiedenen Beziehungssituationen von uns zeigen, was wir darstellen, um unsere Persönlichkeit möglichst vorteilhaft zu „verkaufen“. Insgesamt regelt das Ego unsere Beziehung zur Außenwelt und grenzt uns von dieser ab. Das Ego ist auf Selbstbestätigung ausgelegt, hält an Bewährten fest und will immer die Kontrolle behalten. In Konflikten sieht es die Schuldigen im Außen und kämpft für seine Sicht der Dinge. Das Ego zeigt ferner, was wir zeigen möchten und bestimmt, welche Aspekte unserer Persönlichkeit von den anderen gesehen und auch wertgeschätzt werden sollen. Dazu erschaffen wir „Masken“, um dazuzugehören.
In unserer materialistischen Welt unterstreichen Statussymbole, Kleidung, das äußere Erscheinungsbild und weitere materielle Güter unser Ego. Dies wird in unserer heutigen Zeit gerade durch Social Media wie Facebook oder LinkedIn verstärkt, indem wir selbst jeden Tag aufs Neue, Produzent und Konsument einer wahren Bilder- und Medienflut sind.
Ich-Ideal des Ego
Im Gegensatz dazu sind im Schatten all die Persönlichkeitsanteile von uns enthalten, die nicht zu unserem eigenen Ich-Ideal des Ego passen. Er besteht damit aus Gedanken, Gefühlen und Impulsen, die wir als zu schmerzvoll, zu erschreckend oder zu unangenehm empfinden, um sie zu akzeptieren und die wir sogar vor uns selbst verbergen. Daher werden sie abgelehnt, unterdrückt und verdrängt, sind aber gleichwohl prägender und stets aktiver Teil unserer Psyche.
Der Schatten beginnt sich bereits in der frühen Kindheit aufzubauen. Wir alle haben uns seither an die Vorstellungen, Regeln und Gebote unserer Eltern, Erzieher und Freunde angepasst. Und das aus Angst abgelehnt und nicht geliebt zu werden. Alles, was nicht gut ankam, wurde in den Schatten abgeschoben. Sätze wie „Lass das, das schaffst du nie“ oder „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“ führten dazu, dass beispielweise unsere ursprüngliche Kraft und Intelligenz bzw. unsere Empathie und Feinfühligkeit in den Schatten abgeschoben wurden. So entstand nach und nach ein großer Keller voll unterdrückter Antriebe, der gleichsam einem Vulkan mit explosionsartiger Wucht jederzeit auszubrechen droht. Eine andere treffende Metapher für den Schatten liefert der Schriftsteller Robert Bly. Er spricht von einem „Schattensack“, der immer schwerer auf unseren Schultern lastet, da wir darin unsere abgespaltenen Persönlichkeitsanteile „aufbewahren“.
Sexualität, Macht und Trauer als häufige Schattenthemen
Je nach familiärem Hintergrund und Kultur wandern unterschiedliche Aspekte in den Schattensack eines Menschen. Häufige Themen sind dabei:
- Macht und Aggression: Die Fähigkeit, gesunde Aggression zu leben, indem wir u.a. Grenzen setzen und für unsere Ideal einstehen, ist enorm wichtig. Leider erleben viele Menschen negative Aggressionen in ihrer Kindheit oder ihnen wurde frühzeitig gesagt, dass Aggressionen per se schlecht sind. Daher werden sie in den Schatten abgeschoben.
- Lust und genussvolle Sexualität: Seit zwei Jahrtausendenden ist Körperlichkeit, Lust und Sexualität in der westlichen Welt ein Schattenthema und wird (trotz Aufklärung) oftmals als anrüchig oder sündhaft etikettiert. Hier zeigt sich sehr gut, dass Schattenthemen sich auch im Humor zeigen. Denn die meisten Witze spielen genau auf dieses Thema an. Der Schatten bricht sich dann z.B. in derben Altherrenwitzen oder anderen verbalen und körperlichen Übergriffen Bahn (siehe MeToo-Debatte). Wenn die Sexualität aus dem Schatten integriert wird, kann die sexuelle Energie den ganzen Menschen stärken und transformieren, so wie es etwa die tantrischen Schriften der hinduistischen Mystik schon über Jahrtausende beschreiben.
- Trauer und Weinen: Weinen und Trauern wird gerade für Männer von frühester Jugend an als Schwäche angesehen und in den Schatten abgeschoben. Und das, obwohl es ein enorm wichtiger psychischer Regulationsmechanismus ist, um mit Erfahrungen der Trennung, des Verlusts oder Abschiedsnehmens umzugehen. Menschen, die diese Gefühle unterdrücken, verhärten sich und steigern ihr Risiko von Depressionen.
2. Wie zeigt sich der Schatten in unserem Leben?
Durch die Abspaltung und Verdrängung von Persönlichkeitsteilen schränken wir massiv die Entfaltung unserer Persönlichkeit ein. Auf körperlicher und psychischer Ebene wird unser innerer Friede gestört. Dies zeigt sich z.B. in Unruhe oder einem Mangel an kraftvoller Lebensenergie sowie in Krankheiten.
Krankheit als Schattensymbol
So weist die Psychosomatik mehr und mehr nach, wie eng die Wechselwirkungen zwischen Psyche und Körper sind. Diese und weitere, innovative Ansätze einer Integralen Medizin zeigen eindrucksvoll, wie Krankheiten die Schattenthemen des Kranken verdeutlichen. So deutet beispielsweise ein Bandenscheibenvorfall darauf hin, dass sich der Betroffene zu viel aufgeladen hat. Die weichen Bandscheiben, die als Stoßdämpfer die Belastung abfedern und für Flexibilität sorgen, werden von den harten Wirbeln in die Zange genommen und gequetscht. Das Schattenthema ist hierbei das Weiche und Weibliche stärker zu leben (z.B. durch mehr Entspannung), was bisher in den Schatten gedrängt war. Ein weiteres Beispiel sind Entzündungen jeglicher Art, die stoffliche gewordene Konflikte und Aggressionen symbolisieren können. Statt die Konflikte nach innen in den Schatten zu drängen (also „vor Wut zu kochen“), gilt es, sich den erregenden Konflikten mutig im Leben zu stellen und die anstehenden Auseinandersetzungen kraftvoll zu führen.
Projektionen
Im Umgang mit anderen Menschen zeigt sich unser Schatten in Form von sog. „Projektionen“. Jeder der ein gutes Kommunikations- oder Konfliktmanagementseminar besucht hat, hat diesen Begriff sicher schon gehört.
“Wenn wir einen Menschen hassen oder ablehnen, so hassen wir in seinem Bild etwas, was in uns selber sitzt. Was nicht in uns selber ist, das regt uns nicht auf.” -Hermann Hesse-
Dabei projizieren wir, wie ein Diaprojektor unsere eigenen inneren Themen und Bilder auf einen anderen Menschen oder eine Situation.
Konkret geht es uns dann auf die Nerven, wenn andere Menschen das ausleben, was wir uns selbst nicht erlauben (z.B. erfolgreich oder emotional und empathisch zu sein) oder genauso ein schattenhaftes Verhalten wie wir selbst zeigen (z.B. übervorsichtig oder bürokratisch zu sein). Dadurch schaffen wir uns Konkurrenten und Gegner, an denen wir das bekämpfen, was wir an uns selbst nicht wahrhaben oder uns zugestehen wollen. Schattenthemen zeigen sich besonders deutlich in wiederkehrenden Konfliktmustern, egal ob im Berufs- und Privatleben. Genau das erlebe ich in meinen Coachings. Was fehlt ist die Bewusstheit darüber, was diese wiederkehrenden Konflikte uns zeigen wollen: nämlich unsere Wachstumschancen auf dem Weg zu immer mehr Ganzheit und Potenzialentfaltung. Und wir haben in solchen Situationen immer zwei Möglichkeiten: Entweder wir schauen uns den Konflikt mit Schattenarbeit an und erledigen die „Hausaufgabe“, die uns das Leben stellt. Oder wir suchen (wie die meisten) die Schuld im Außen, leiden und bekommen dann sachlogisch die unerledigte „Hausausgabe“ in Form von schwierigen Situationen und Menschen immer und immer vorgelegt.
Was ist der „Goldene Schatten“?
Der Schatten zeigt sich weiterhin darin, wenn wir andere Menschen verehren: egal ob Schauspielerinnen, Fußballspieler, Sportlerinnen und Sportler, Wirtschafts-Bosse, Stars oder Politiker. Auch hier projizieren wir Persönlichkeitsanteile, die bisher in uns noch im Schatten liegen, auf die jeweilige Person. Wir sprechen hier vom „Goldenen Schatten“, der sich z.B. in der Verehrung von Helden zeigt. Bei Interesse findest du in meinem Beitrag zur Heldenreise weitere Informationen dazu.
3. Wie funktioniert Schattenarbeit und wie wird sie in der Coachingpraxis eingesetzt?
Schattenarbeit ist vor allem eine Aufgabe in der zweiten Lebenshälfte. Nachdem man viele Jahre seines Lebens dazu verwendet hat, ein wichtiges Ego aufzubauen, stellt sich in der Lebensmitte die Frage, ob das Leben wirklich richtig „gelebt“ wurde oder ob es genau „mein“ Leben ist. Selten sind die Menschen voll und ganz zufrieden, fast jeder erkennt mehr oder weniger große Lücke und Gefühle der inneren Leere, des Drucks oder der Überforderung. In dieser „Midlife Crisis“ versuchen viele im Außen (z.B. durch einen neuen Partner oder einen jugendlichen Lifestyle) eine Art zweite Jugend zu erleben. Die eigentliche Herausforderung dieser Altersstufe besteht aber darin, den Weg in die Tiefe der eigenen Persönlichkeit anzutreten und die Schattenthema zu bearbeiten.
Im Rahmen der Schattenarbeit wirst du in einem ersten Schritt deinen Schatten und die darin liegende Potenziale erkennen. In einem zweiten, sehr kraftvollen und dynamischen Schritt, konfrontierst du dich selbst mit deinem Schatten. In einem dritten Schritt erfolgt dann die Integration der positiven Schattenaspekte in das eigene Bewusstsein.
Der Lohn dieser Schattenarbeit ist einzigartig: durch die Integration entfaltest du deinen Charakter zu größtmöglicher Ganzheit, löst Projektionen auf und reduzierst damit deutlich deine zwischenmenschlichen Konflikte. Und schließlich steht dir viel mehr Energie (welche bisher im Schatten gebunden war) für ein kraftvolles und glückliches Leben zur Verfügung.
Projektionen zurücknehmen am Beispiel von Machtfragen
Gerhard (Name geändert), 62, Bereichsleiter in einem Dienstleistungsunternehmen kommt zu mir, da er ständig Konflikte mit seinem Stellvertreter, Simon (Name geändert), 53, hat. Diese äußern sich darin, dass Simon ihn in Teambesprechung, aber auch vor Vorgesetzten offen und zwischen den Zeilen kritisiert. Zudem berichtet Gerhard, dass sein Stellvertreter komplizierte Aufgaben, die in seinem Aufgabenbereich liegen, nicht umsetzt und an Gerhard zurückdelegiert. Überhaupt kann er sich aus Gerhard`s Sicht nur schwer unterordnen, an Regeln halten und geht jedem vernünftigen Gespräch aus dem Weg. Im Coaching unterstütze ich ihn zunächst dabei, seine Gedanken über Simon und in dem Zusammenhang auch über sich selbst herauszuarbeiten und dann zu überprüfen. Dazu setze ich sehr gern die Fragetechnik The Work der US-amerikanischen Trainerin Byron Katie ein. Diese zielt mit den folgenden 4 Fragen darauf ab, stressauslösende Gedanken zu erkennen und zu transformieren.
1. Ist das wahr?
2. Kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, dass das wahr ist?
3. Wie reagierst du, was passiert, wenn du diesen Gedanken glaubst?
4. Wer wärst du ohne den Gedanken?
Ein Gedanke von Gerhard war z.B. „Simon sollte akzeptieren, dass er der Stellvertreter ist und nicht der Bereichsleiter.“ Meine Erfahrung zeigen mir, dass die Beantwortung der ersten Fragen für viele Menschen eine Herausforderung ist. Byron Katie stellt hier sehr klar heraus, dass die Wahrheit immer das ist, was sich in der Realität zeigt. Im konkreten Fall erkennt Gerhard, dass sein Gedanke nicht wahr ist, da Simon durch sein gezeigtes Verhalten (er hatte zuvor mehrere Beispiele aus dem Arbeitsalltag genannt) dokumentiert, dass er die Rollenverteilung nicht akzeptiert. Bei der weiteren Befragung erkennt und spürt er bei der 3. Frage, dass der Gedanke Stress und Druck bei ihm verursacht und er ohne den Gedanken (4.Frage) wesentlich freier wäre. Den Abschluss der Fragetechnik bildet die Umkehrung, die sehr sensibel ist und gut vorbereitet werden muss. Wichtig ist, dass der Klient hier nach innen geht und hinein spürt, was sich zeigen will. Das ist im Kontext der Schattenarbeit der Punkt, an dem die Projektion zurückgenommen wird. Die Umkehrung lautete in diesem Fall: „Ich (Gerhard) sollte akzeptieren, dass er der Stellvertreter ist und nicht der Bereichsleiter.“ Als Gerhard den Satz ausspricht, kämpft er mit sich und dann müssen wir beide herzlich und befreiend lachen. Schon Schopenhauer erkannte, dass Lachen eine Blitzerleuchtung ist. Für mich als Coach war die Erkenntnis nicht sehr überraschend, da Gerhard mir vorher schon einige wichtige Situationen aufzählte, bei denen er Simon nicht einbezogen hatte. Er selbst hatte also die Position Simon`s nicht ausreichend akzeptiert, der wiederrum in seinem „aufmüpfigen“ Verhalten einfach nur genau diese Akzeptanz einforderte. Diese Einsichten bildeten eine solide Grundlage, um Gerhard in einem imaginären Konfliktgespräch im Rahmen einer sog. „Stühlearbeit“ zu noch tieferen Erkenntnissen zu verhelfen. Er erlebte dabei die Konfliktsituation aus drei Perspektiven: der eigenen, Simon`s und die eines neutralen Beobachters. Durch diese weitere Erfahrung war Gerhard dann so gut aufgestellt, dass wir gemeinsam das zielführende Konfliktgespräch, in dem vor allem Gerhard auch seinen Anteil darstellte, vorbereiteten. Das Gespräch mit Simon fand mittlerweile statt. Gerhard berichtet von einer sehr vertrauensvolle Atmosphäre und einem wirklichen Durchbruch in der gemeinsamen Zusammenarbeit.
Sexualität als Schattenthema: Arbeit mit inneren Anteilen
Sebastian (Name geändert), 42, stellv. Referatsleiter, kommt zu mir ins Coaching, um Stress zu reduzieren. Nachdem wir in einigen Coaching-Sessions berufliche Themen und Konflikte bearbeitet haben, ist Sebastian innerlich bereit, sein vordringliches Thema anzusprechen. Es fällt ihm sichtlich schwer. Er schildert, dass er seit einigen Monaten den Wunsch nach sexuellen Erfahrungen mit Männern hegt. Sebastian ist, wie er sagt, glücklich verheiratet, hat ein Kind und ein Eigenheim. Im weiteren Gespräch wird deutlich, dass er bereits in der Studienzeit „Erfahrungen“ mit Männern gesammelt hat, dann aber seine Frau kennenlernte, eine Familie gegründet hat und mit dem Hausbau so beschäftigt war, dass er dieses andere „Thema“ verdrängt hat. Und in der Tat: er hat es in den Schatten verdrängt, gleichwohl ist, wie er schilderte, der Wunsch immer präsent gewesen.
Ausgelöst durch eine Erfahrung mit einem attraktiven Mann am Rande einer Dienstreise vor einem halben Jahr, ist das „Schattenthema“ wieder aufgeflammt. Es zeigt sich bei ihm durch innere Unruhe und das oft stundenlange anonyme Chatten und Suchen nach Dates mit Männern in seiner Umgebung. Ein Treffen hat trotz vieler Kontakte nicht stattgefunden, da seine Schuldgefühle gegenüber seiner Frau sehr groß waren. Er beschrieb es so, dass der heterosexuelle Anteil (und damit verbunden die Rolle des Ehemanns) mit dem homosexuellen (und bisher unterdrückten Anteil) in Konflikt stand. Diese Erkenntnisse ist für mich als Coach eine fundierte Grundlage, um Sebastian dabei zu unterstützen, durch eine innere Abstimmung zwischen den beiden Anteilen zu einer Lösung zu gelangen. Betonen möchte ich hierbei, dass Coaching für mich das Begleiten eines Experten bei seinem Veränderungsanliegen ist. Die Lösung ist, wie auch hier, immer individuell und im Kunden selbst vorhanden. Ich unterstütze den Kunden mit meiner Empathie und meinen Instrumenten die Lösungen in sich selbst zu finden. Im konkreten Fall war es meine Aufgabe den inneren Abstimmungsprozess zu moderieren. Wichtig ist in dem Zusammenhang, dass der (bisher verdrängte) homosexuelle Schattenanteil gesehen und gewürdigt wird. Neben dem homosexuellen und dem heterosexuellen Anteil wurde ein kreativer Anteil in den Abstimmungsprozess hinzugezogen. Im Ergebnis der sehr intensiven inneren Abstimmung gelangte Sebastian zu der Überzeugung, dass es richtig ist, mit seiner Frau offen und ehrlich über seinen Wunsch und seine Bisexualität zu sprechen. Da alle inneren Anteile diese Lösung unterstützen, konnte er zentriert in das Gespräch gehen. Im Nachgang dieses Coachings berichtete er mir, dass es einer der intensivsten Gespräch mit seiner Frau war, das er jemals geführt hatte. Durch seine Offenheit und innere Klarheit, war auch seine Frau offen, sodass das beide in einem herausfordernden Prozess eine gemeinsame Lösung fanden, um gemeinsam die bisexuelle Seite zu leben.
4. Wie habe ich selbst meine Schattenarbeit angeschaut und transformiert?
Die Güte eines Coaches hängt für mich ganz wesentlich davon ab, inwieweit er selbst vorangegangen ist und gerade seine eigenen Schattenthemen bearbeitet. Neben den Erfahrungen in meiner NLP- und Coachingausbildung habe ich meine Schattenthemen in einer sehr intensiven Form in dem 6-Tage-Intensiv-Selbsterfahrungsseminar „Der Schatten“ im Spätsommer 2019 angeschaut und bearbeitet. Die Location – ein verstecktes Schloss, idyllisch gelegen irgendwo in Unterfranken, bot dazu den perfekten Rahmen.
Das Seminarkonzept wurde durch den Theatermacher und Psychotherapeut Paul Rebillot entwickelt und basiert auf den o.g. wissenschaftlichen Erkenntnissen. Das Seminar gibt jedem die Möglichkeit, in einem geschützten Rahmen seine Schattenanteile zunächst auf kreative und lustvolle Weise kennenzulernen. Dem folgt die Zurücknahme der eigenen Projektionen und schließlich die Transformation der Schattenanteile in bereichernden Teil der eigenen Persönlichkeit.
Eingesetzt werden eine Vielzahl von Techniken und mehr als 50 Einzelübungen, die stimmig aufeinander aufbauen. Dabei kommen u.a. Körper- und Gestaltarbeit, Ausdruck und Bewegung, Phantasiereisen, Rollenspielen, intuitives Malen, Rituale und Meditation zum Einsatz. Kreativer Schwerpunkt des Seminars ist der Bau einer Schatten-Maske, in der alle bisherigen Schattenanteile einfließen.
Meine Erfahrung ist, dass Schattenarbeit sicher nichts für zarte Gemüter ist. Denn: Schmerz entsteht beim Verdrängen und beim Bewusstwerden von Schattenmaterial. Der Lohn dieser harten Persönlichkeitsarbeit erlebte ich als einzigartig powervoll und befreiend. Oft hatte ich im Seminar das Gefühl, das mein Blut kocht und ich war froh, mich öfters im Naturpool wahrlich abkühlen zu können. Und es war sicher auch eine Überwindung, die eigenen Abwertungen anderer Mensch aus dem Ego heraus in Frage zu stellen und zu transformieren. So wurde mir z.B. bewusst, dass ich bis zum Seminar eher unstrukturierte und planlose Menschen stark abgelehnt hatte. Als ich in verschiedenen Übungen stärker in solche Menschen hinein gespürt hatte (z.B. durch Rollenspiele), erkannte ich, dass für mich darin die Aufforderung liegt, flexibler zu sein und überhaupt mich mehr dem Fluss des Lebens hinzugeben. Ein weiterer Schattenanteile war, dass ich Menschen kritisiert habe, die lange Entscheidungen abwägen und denen man jedes Wort aus der Nase ziehen muss. Ich durfte erkennen, dass für mich darin die Wachstumschance liegt, mehr zu beobachten, weniger direkt zu sein. Und auch insgesamt meine Power besser zu kanalisieren, zu skalieren und mehr und mehr passend in den Gesamtkontext einzubringen.
Insgesamt war es im Seminarverlauf spannend zu erleben, wie die Projektmechanismen mit Blick auf Ablehnung, aber auch Anziehung, funktionieren. Durch eine geschulte Seminarleitung wurden sowohl innere Konflikte, als auch Gruppenkonflikte kraftvoll und zugleich empathisch in den Seminarprozess gezielt einbezogen. So konnte ich beispielweise erkennen, wann ich meine Schattenthemen auf andere projizierte bzw. wann ich selbst Projektionsfläche war. Diese tiefgreifenden Erkenntnissen und transformierenden Gefühlserlebnisse helfen mir in meiner Arbeit, aber auch im Umgang mit Konflikten sehr. Viele Aspekte des Seminars setze ich mittlerweile in meinen Coachings und Workshop ein. Und Schattenarbeit hört nie auf und ist tägliche Aufgabe für mich. So führe ich z.B. ein Emotionstagebuch, indem ich Konflikte reflektiere und mir die Frage stelle, was mir das Leben hier zeigen will.
5. Deine Selbsterfahrung: Welche ersten Schritte kannst du gehen, um dir deinen eigenen Schatten bewusst zu machen?
Um Licht in deine Schattenthemen zu bringen, ist der erste Schritt die Bewusstwerdung. Du erkennst deinen Schatten z.B. darin, welche Gesprächsthemen du (z.B. aus Scham) meidest oder wie die Natur und der Inhalt deines Humors ausfällt. Der Königsweg zum eigenen Schatten ist die genauere Untersuchung deiner Projektion auf andere Menschen. Dazu lade ich dich zu folgender Übung ein:
1. Beschreibe eine ganz unsympathische Person mit ihren negativen Eigenschaften oder Verhaltensweisen, die dir Angst macht, dir auf die Nerven geht oder die dich abstößt.
2. Entdecke anhand der negativen Eigenschaften, welche durchaus positiven Aspekte für dein Leben darin verborgen sind (verborgene „Perle“ in der Schlacke), z.B. auch mit der Frage: „Was kann ich von diesem Menschen lernen?“
Sicher ist das zu Beginn der Schattenarbeit und der starken Opferhaltung in unserer Gesellschaft eine Herausforderung. Gleichwohl erlebe ich in meiner Arbeit, dass Konflikte und Krisen die größten Wachstumschancen hin zu mehr inneren Frieden, Harmonie und Gelassenheit sind. Und deshalb dürfen wir gerade für die Menschen dankbar sein, die wir ablehnen und die uns auf die Nerven gehen. Schon Jesus hat dies in seiner Bergpredigt deutlich gemacht:
„Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfluchen, damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel werdet.“
-aus der Bergpredigt Jesu-
Diese Menschen sind also nur die Boten, die uns zeigen, wo wir uns noch entwickeln können. Und wenn wir das erkennen und spüren, ist das wirkliche Friedensarbeit, die gerade wichtiger denn je ist. Denn wir bringen mit Schattenarbeit Frieden ins uns, in unserer Umfeld und damit auch in die ganze Welt. Insofern ist gelebte Schattenarbeit für mich immer auch aktive Friedensarbeit, genauso wie es Gandhi lebte und kommunizierte:
„Sei DU (!!!) selbst der Wandel, den du dir wünscht für diese Welt.“ -Mahatma Gandhi–
6. Wie kannst du deinen Schatten wirklich integrieren und wie geht es weiter?
Sicher hast du nun Lust, dir deinen Schatten anzuschauen und zu transformieren. Dazu stehe ich dir als Coach gerne zur Verfügung. Darüber hinaus gebe ich dir gern Tipps für vertiefende Literatur und Empfehlungen für Seminare.
Du erreichst mich unter:
michael.koenig@gemeinsam-aufsteigen.deUnd du kannst schon gespannt sein, denn der nächste Blog-Beitrag wird sich damit befassen, welche gesellschaftlichen (kollektiven) Schattenthemen es gibt, wie diese sich auf dein Leben auswirken und wie du auch diese transformieren kannst.
Ich freue mich, wenn wir Gemeinsam Aufsteigen!
Herzliche Grüße,
Michael
Dein Experte für persönliche Transformation
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verwendete und für die vertiefende Betrachtung empfohlene Literatur:
– „Neue Helden braucht das Land“ (F.Mittermair)
– „Umarme deinen Schatten“ (J. Monbourquette)
– „Der Schatten in uns“ (V. Kast)
– „Krankheit als Symbol“ (R. Dahlke)
Ein sehr klar formulierter, aufschlussreicher und auch inspirierender Beitrag, v.a. weil er in konkreten Beispielen deutlich macht, was für Wachstumsprozesse durch die sog. „Schattenarbeit“ einsetzen können. Besonders das Beispiel des Mannes, der sich am Ende traut, mit seiner Frau OFFEN über seine Bisexualität zu sprechen, um dann GEMEINSAM mit ihr einen Weg zu finden, den beide beschreiten können (anstatt es weiter zu verheimlichen oder gar heimlich auszuleben), gibt ein gutes Beispiel davon, wohin sich auch bei solchen noch etwas tabuhaften Themen unsere gesellschaftliche Mentalität entwickeln könnte.
Sehr wertvoller, durchdachter und hilfreicher Artikel. Das Thema ist uns faktisch allen omnipräsent und dennoch häufig „tabu“. Danke für jeden Moment dies in die Welt zu tragen.